Unionszollkodex ante portas!

00.hpph-fotoDer neue UNIONSZOLLKODEX –

Ein „Buch mit sieben Siegeln“ oder „die Büchse der PANDORA“?…

 Das Zollrecht der Europäischen Union ist für viele Verbandsfirmen immer noch ein „Buch mit sieben Siegeln“, obwohl es den Wirtschaftsbeteiligten der Gemeinschaft im grenzüberschreitenden Warenverkehr mit sog. Drittlandswaren (Nicht-EU-Waren) in der   Zollpraxis als einheitliche Grundlage dient. Die Folge ist, dass man es der Einfachheit halber am liebsten den professionellen Zolldeklaranten oder Spediteuren überlässt, sich mit Zollan-gelegenheiten zu beschäftigen. Dabei wird jedoch nicht selten übersehen, dass die Verantwortung für die ordnungsgemäße Zollanmeldung in erster Linie beim Einführer oder Ausführer selbst liegt und nicht etwa beim beauftragten Stellvertreter, obwohl das neue Zollrecht erstmals auch im Falle der direkten Stellvertretung den Anmelder selber mit in die Pflicht und damit ins Haftungsrisiko nimmt. Abgesehen von den sanktionsrechtlichen Folgen bei Verfahrensfehlern sind die wirtschaftlichen Auswirkungen oftmals jedoch erheblich gravierender für den Importeur bzw. Exporteur. Zumal hier das Prinzip der gesamtschuldnerischen Haftung gilt, wonach der Steuergläubiger sich nach eigenem Ermessen an den jeweils zahlungsfähigsten Zollschuldner halten kann und das ist in der Regel der wirtschaftliche Eigentümer der Waren.

Mit der Einführung des novellierten EU Zollkodex (288 Artikel mit 101 Seiten Text) einschließlich der beiden Umsetzungsrechtsakte (Delegierte und Durchführungs-VO, umfassend 256 Artikel mit 90 Anhängen = 555 Seiten Text sowie 350 Artikel mit  nur 48 Anhängen = 318 Seiten Text, wird ab Mai des Jahres eine Flut von Rechtsänderungen    nicht nur auf die EU Wirtschaftsteilnehmer, sondern auch auf die Zollverwaltungen der Mitgliedstaaten, hereinbrechen. Das geflügelte Wort vom  „Zolldschungel“ könnte demnach besser durch die „Zoll-Tsunami“ ersetzt werden. Und die besteht im Einzelnen aus folgenden Elementen:

Wesentliche Rechtsgrundlagen des neuen EU Zollrechts 

Delegierter Rechtsakt (UZK-DA):

Befugnis der Kommission zum eigenständigen Erlass von delegierten Rechtsakten zur Ergänzung oder Änderung nicht wesentlicher Vorschriften zum UZK (z.B. Fristen, Bewilligungsvoraussetzungen)

Implementierender Rechtsakt (UZK-IA):

Regelungen zur Sicherstellung einheitlicher Bedingungen für die Durchführung verbindlicher Rechtsakte unter Beteiligung der Mitgliedstaaten (z.B. zuständige Zollstelle, Zollkontrollen, Konsultationsverfahren).

Übergangs-Rechtsakt (UZK-TDA):

Der TDA (Transitional Delegated Act) regelt das anzuwendende Recht aufgrund der Übergangsphase für die Implementierung der IT-Infrastruktur bis zum 31. Dezember 2020 (Art. 278 UZK – TDA) mit zahlreichen Anhängen.

Dennoch soll es zumindest nach den amtlichen Verlautbarungen nicht zu einem sog. „BIG BANG“ kommen, wonach sämtliche Umstellungen und Anpassungen an das neue Recht gewissermaßen auf einen Schlag erfolgen.  Dies wäre rein organisatorisch ohnehin nicht zu bewerkstelligen. Vorhandene Bewilligungen bleiben demnach solange in Kraft, bis sie schrittweise erneuert werden.  Nur die Neuanträge richten sich nach dem  novellierten Recht. Das gilt auch für den AEO (Authorized Economic Operator = Zugelassener Wirtschaftsbeteiligter), dessen Zulassungsvoraussetzungen im übrigen verschärft werden. Neue Bewilligungsvoraussetzung ist nämlich „die praktische oder berufliche Befähigung im unmittelbarem Zusammenhang mit der ausgeübten Tätigkeit“ gem. Art. 39 d) UZK. Diese Bedingung soll der Zollbeauftragte des Unternehmens erfüllen und man spricht hier von einer dreijährigen Berufserfahrung auf dem Gebiet des Zollwesens oder einer entsprechenden zollbezogene Aus- und Weitbildung. Bereits erteilte AEO-Zertifikate behalten  jedoch ihre Gültigkeit.

Alles in allem sollten die beteiligten Wirtschaftskreise sich darauf vorbereiten, dass nichts mehr so bleibt wie es wahr, denn das neue EU Zollrecht sucht seinesgleichen in der globalen Best Customs Practice. Nicht von Ungefähr ist eines der erklärten Ziele dieses Reformwerkes, den Sinn und Zweck des aktuellen Zollrechts für die Zollbeamten der Union besser verständlich zu machen, womit zweifellos die einheitliche Auslegung des Gemeinschaftsrechts im Zollbereich gemeint ist. Von den Wirtschaftsbeteiligten ist in dieser Hinsicht allerdings nicht die Rede. Mit dem Ergebnis, dass es sich dabei womöglich tatsächlich um die „Büchse der Pandora“ handelt. Aber vielleicht erwartet man auch, dass die hohe Professionalität der Zollbeteiligten ein solches bürokratisches Monstrum, das hiermit geschaffen wurde,  über kurz oder lang in den Griff bekommt.  Immerhin sollen ja  bei der weiteren Modernisierung der zollrechtlichen Vorschriften die Standpunkte der Wirtschaftsbeteiligten gebührend berücksichtigt werden, um eine tatsächliche Vereinfachung der Verwaltungsverfahren zu gewährleisten (vgl. Abs. 10 der Begründungserwägungen des UZK). Bisher ist hiervon jedenfalls nur recht wenig zu merken. Denn die hoch gesteckten Erwartungen der Wirtschaftsbeteiligten an ein schlankes und leicht zu handhabendes supranationales Regelwerk im Zollsektor wurden leider tief enttäuscht! Es wird also vermutlich noch einige Zeit dauern, bis das neue EU Zollrecht in der Praxis wirklich ankommt und zumindest einigermaßen beherrschbar wird.

Die Praxis wird zeigen, wie die betroffenen Akteure damit zurechtkommen. Eines ist jedoch sicher: Ohne intensives Fachtraining ist das nicht zu schaffen!

H P
P H

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